Die Musikliebhaberin
Szenisches Fragment – Vestibül
Zweifelsohne stellt das bischöfliche, kulturbeseelte Salzburg eine der schönsten städtischen Szenerien für die Bühne des Lebens bereit. Die Abfolge von markanten Plätzen und engen Gassen, die wirkmächtigen Fassaden mit ihren bündigen Fenstern unter dem skulpturalen Gebilde der gefalteten Dächer formen einen organischen Stadtkörper von bewegender Schönheit. Eingebettet in die Felsformationen von Mönchsberg und Kapuzinerberg, dazwischen das grüne Band der Salzach, wird die Altstadt gekrönt von der Festung Hohensalzburg. Unter ihrer imaginären Schirmherrschaft liegt der Ort, an dem das Leben auf kunstvolle Weise seine Übersetzung in Form von Drama, Komödie, Musik- und Singspiel erfährt.
Was den Salzburger Festspielen und seinen Bauten sprichwörtlich den Rücken stärkt, ist der steil aufragende Mönchsberg. Am Hang, beim angrenzenden Sigmundstor (Neutor), ist eine Wunde im Gestein unübersehbar: ein Zeugnis des unvollendeten Durchstichs des Bergrückens. Dort schließt der Schüttkasten aus dem 16. Jahrhundert an die Felswand an. Dem ursprünglich als Getreide- und Kornspeicher genutzten Gebäude gegenüber steht die Prospektwand. Einst war die barocke Toranlage mit dem Marstall, dem heutigen Festspielhaus, verbunden. Ihr vorgelagert ist die monumentale Pferdeschwemme. Natur und Gebautes bilden hier eine kraftvolle Allianz, die weithin Orientierung im Stadtraum bietet.
Im Spannungsfeld von Repräsentativem und Profanem, in diesem unverwechselbaren Ensemble, entfaltet sich eine Szene im Raum zwischen der Prospektwand und dem Schüttkasten. Das Café aus den späten 1980er Jahren, das sich an der Rückseite der winkelförmig umfassenden Mauer befand, ist abgetragen. Die radikale Geste gleicht einem Befreiungsschlag, der nun stattliche Hof zwischen den beiden ungleichen Bauwerken hat wieder seine ursprüngliche Breite und atmet sichtlich auf. Im Zwischenraum, befreit von allen Altlasten, stanzt sich ein gläserner Pavillon durch den scharierten Betonboden des Hofs, fährt aus dem Untergrund wie eine goldene Spieluhr nach oben und stimmt lautlos ein in den Takt des Lebens. Hof und Pavillon verbünden sich, werden gemeinsam zum Vestibül, zur Eingangshalle in eine andere Realität – die Realität der Künste. So wird die räumliche Willkommensgeste zu einem Vorplatz im ursprünglichen Wortsinn, sie wird zu einem Raum zwischen Straße und Haus.